Alexandra Röhl

Vor 50 Jahren fand sie das verletzte Rotkehlchen, über das sie ihr Büchlein schrieb:“Duette mit ihm“.
Sie ahnte wohl nicht, dass es dies Jahr seine 16. Auflage erleben würde.

Wir Kinder fühlten uns geehrt: Jeder bekam sein eigenes Exemplar des – endlich – frisch gedruckten Buches. 1968 konnte ich allerdings noch nicht so viel anfangen wie heute.

Alexandra Röhl als Person hingegen machte mir Eindruck: Sie wirkte mit ihren kurzen, grauen Haaren fast männlich. Hatte sie wirklich so eine tiefe Stimme, wie ich es in Erinnerung zu haben meine? Sie war anders als die Mütter meiner Freundinnen oder die Freundinnen meiner Mutter. Heute würde ich sagen: Sie war eine – für ihre Zeit! – sehr emanzipierte Frau. Sie erzählte mir von ihrem Berufsleben in Berlin, wie sie als Schneiderin manchmal Abendkleidersäume mit Nagellack fixierte, wenn die Zeit zum Nähen fehlte. Sie zeigte mir, wie. Wenn sie auch etwas herb wirkte, sie war uns Kindern zugewandt. Eine interessante Frau!

Lange nach ihrem Tod lernte ich: Sie war wenige Jahre mit dem Bauhaus – Künstler Karl – Peter Röhl verheiratet gewesen und geschieden. Und sie hatte selbst an Bauhaus – Werkstätten gearbeitet. Sie stammte von einem ostpreußischen Gut (geboren 1899 in Friederikenruh). In ihrer praktischen, zupackenden Art war sie auf dem Wolfsbrunn in den Kriegs – und Nachkriegsjahren nicht nur die alleinstehende Frau, die dort Zuflucht gefunden hatte, sondern auch eine große Hilfe. Zeitweise wurde der Wolfsbrunn zur Nähschule für junge Frauen aus den umliegenden Dörfern. Briefe unserer „Omi Wolfsbrunn“ an „Alexa“ beauftragten sie auch später noch mit dem Organisieren von Handwerker – Diensten, etwa dem Streichen der gelben Gartenmöbel. Auch als sie in Buchen lebte, hatte sie noch ihr Zimmer im Wolfsbrunn. Sie war mit den Großeltern dorthin gekommen, als sich in Berlin die Bombenangriffe häuften.

Kurz vor ihrem Tod (1976 in Buchen) schenkte sie mir „mit warmer Hand“ Schmuck meiner Großmutter, den sie von ihr bekommen hatte – und einen Zitronengeranienableger, dessen Ururenkel immer noch bei uns duften. Sie ordnete ihre Dinge, nachdem sie auch das Erscheinen ihres 2.Buches „Geflügelte über uns“ noch hatte erleben dürfen.

„Duette mit ihm“ widmete sie ihrem im Krieg gefallenen Sohn Thülö. Gemeinsam hatten die beiden Freundinnen um das Leben ihrer Söhne gebangt. Martinus, unser Vater, überlebte – und ist Hausherr des nun 100 jährigen Wolfsbrunn. Für Thülö wurde ein Gedenkstein am Hang errichtet, der vor kurzem repariert und weiter unten wieder aufgestellt wurde. Darauf ist ein Gedicht unserer Großmutter Lona Emge zu lesen:

In Memoriam

Thülö Röhl

1920-1943

Er sagt uns wie das Schöne durch das Wehen
des Zeitenschleiers schimmert, ewig wahr.
Einst reißt der Schleier, sinkt und das Vergehen
geliebter Form wird wesenhaft dir klar.
Die Form zerbrach, was sie erfüllte schwebt
um dich, die du es liebend trägst; es lebt .

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Daniela